BenE München Forum 2024

 

Empathie – und wie…?

Ist Empathie ein universelles „Konzept“? Und kann man Empathie lernen?
Ein Diskurs zur emotionalen, kognitiven und sozialen Empathie

Der Titel dieses Abends „Empathie – und wie?“ ist in all seiner Offenheit und Wolkigkeit absolut zutreffend.

Denn die Empathie ist eine dringend notwendige Kern-Kompetenz unsere Zeit, wird überall dringend gebraucht und ist zugleich ein Begriff von monumentaler Unbestimmtheit.

‚Empathie‘ ist eine Worthülse. Empathie ist eine Projektionsfläche für unterschiedlichste Definitionen, Erwartungen und Kompetenzen. Jeder spricht darüber, aber jeder anders. Empathie wird überall vermisst, überall gefordert – und jeder versteht etwas anderes darunter. Wir wollen heute also tatsächlich versuchen, die ‚Worthülse Empathie‘ mit Inhalten zu füllen, um sie wirksam werden zu lassen.

Empathie scheint mir wie die notwendige energetische Substanz zu sein, die das Gewebe gesunder Gemeinschaften und Beziehungen und Lebensqualität und Zukunftsgestaltung dringend braucht. Eine Art Treibstoff und Schmiermittel, um zwischenmenschliche Begegnung, soziale Kooperation und ganz generell Lebensfreude zu ermöglichen. Eine Art verbindende Kraft, die wir vielleicht sogar dazu brauchen, Kriege zu beenden, den Klimawandel zu stoppen und den Organismus Erde lebendig zu erhalten. Im wahrsten Sinne also eine existentielle Kernkompetenz!

Die Neurowissenschaftlerin Tania Singer beschreibt Empathie als unsere Fähigkeit der emotionalen Resonanz mit anderen. Empathie bedeutet also zu spüren, was andere spüren – und darauf kreativ und resonant zu reagieren. Empathie ist damit eine wichtige Voraussetzung unserer gesamten Sozialkompetenz.

Empathie ist deshalb auch eine Art ‚Basic Skill‘ aller Arten von helfenden Berufen und Akteuren in sozialen Beziehungen. Ob Therapeut*innen, Sozialarbeiter*innen, Ärzt*innen, Krankenpfleger*innen – sie alle benötigen diese Kompetenz. Aber auch für Pädagog*innen und Lehrer*innen ist Empathie eine wesentliche Grundvoraussetzung, um überhaupt wahrzunehmen, mit welchen Bedürfnissen, Erwartungen und Nöten Schüler*innen und Student*innen konfrontiert sind. Und wenn es darum geht, die Fähigkeit zur Empathie auch zum Gegenstand und Inhalt der Lehre zu machen, dann braucht es ein grundlegendes Verständnis der Meta-Ebene. Wir müssen wissen, was es ist, was wir lehren! Wie Empathie geht, wer sie hat, ob sie lehrbar ist!

Der amerikanische Zukunftsforscher und Soziologe Jeremy Rifkin hat mir im Interview einmal gesagt, dass er davon ausgeht, dass sich die Fähigkeit und der Resonanzraum der Empathie in der menschlichen Evolution entwickelt und ausdehnt. Ursprünglich mag sie sich auf das Mitfühlen der Mutter auf ihr Kind beschränkt haben. Dann mag es sich in Zeiten des Jagens und Sammelns auf die eigene Horde beschränkt haben. Dann wird es sich in Zeiten der indigenen Weltsicht auf den Stamm oder die Siedlung ausgeweitet haben. Später dann mag mitfühlende Empathie sich auf die gemeinsame Religion und später auf das eigene Land ausgedehnt haben. Und jüngst gibt es Anzeichen, dass wir Empathie entwickeln können für Biotope oder gar den ganzen Planeten. Der deutsche Neurologe Joachim Bauer hat dieser Frage in seinem Buch ‚Fühlen wie die Welt fühlt‘ schon aufgegriffen und Empathie als ökologische Kompetenz intensiv behandelt. ER sagt, wir seien in der Lage, Mitgefühl und Empathie für die Erde zu empfinden und unser Verhalten danach auszurichten. Hat er Recht, dann könnte eine erweiterte Empathie zur Voraussetzung werden für ein dringend benötigtes planetares Bewusstsein. (Geseko von Lüpke)

Wann? Montag, 24.06.2024, 18-22 Uhr
18-20 Uhr: Vorträge & Podiumsdiskussion
20-22 Uhr: Austausch und Beisammensein bei Speisen & Getränken

Wo? Evangelische Stadtakademie, Herzog-Wilhelm-Straße 24, 80331 München

Vorträge und Podiumsdiskussion mit:

Prof. Dr. Stefania Centrone (TUM) „Pinocchio und das Mitgefühl – können wir Empathie lernen?“
Dr. Anna-Maria Walter (RCC/LMU) „Empathie als intersubjektive Methode für kulturelles Verständnis“
Ralph Kink (AI & Technology) „Kann KI Empathie?“
Prof. Dr. Markus Vogt (LMU) „Empathie in der sozial-ökologischen Transformation“
Geseko von Lüpke (Journalist) moderiert den Abend.

Anmeldung unter:     info@bene-muenchen.de

 

Stefania Centrone ist Professorin für Philosophie und Wissenschaftstheorie an der Technischen Universität München. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Gebiet der Theoretischen Philosophie. Hierbei arbeitet Sie vornehmlich systematisch, verknüpft jedoch diese systematische Arbeit mit einer historischen Perspektive. Ihre Forschung hat einen besonderen Interdisziplinären Charakter und Ihre Beiträge haben nicht nur in der philosophischen Gemeinschaft bemerkenswerte internationale Anerkennung gefunden. An der TUM strebt sie die Integration der Philosophie mit den Bereichen Sozialwissenschaften, Mathematik, Informatik und künstliche Intelligenz an.

Dr. Anna-Maria Walter ist Sozialanthropologin am Rachel Carson Center. Ihre Doktorarbeit an der Ludwig-Maximilians-Universität München befasste sich mit der Anthropologie von Emotionen, Geschlechterbeziehungen und Mobiltelefonen im Hochgebirge von Gilgit, Nordpakistan. Als Postdoktorandin an der Universität Oulu hat Anna-Maria an Konzepten des Selbst durch die Nutzung sozialer Medien, digitaler Anthropologie und Feldmethodik, den sozio-ökologischen Dimensionen alpiner Skitouren, der Wahrnehmung von Gebirgslandschaften im Allgemeinen sowie dem indigenen Wissen über Gletscher gearbeitet.

Ralph Kink ist Experte für digitale Transformation und berät Unternehmen beim Einsatz von innovativen Technologien – aktuell mit Schwerpunkt künstliche Intelligenz. Er war zuletzt 25 Jahre bei Microsoft Deutschland tätig: Nach verschiedenen Führungsrollen im Lösungsvertrieb und Consulting verantwortete er als CTO die technologische Zusammenarbeit mit Microsoft Partnern.

Markus Vogt ist katholischer Theologe und Professor für Christliche Sozialethik an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sein Arbeitsschwerpunkte sind die philosophische Grundlegung der Sozialprinzipien sowie Umwelt- und Wirtschaftsethik. Er war maßgeblich daran beteiligt, die Christliche Sozialethik und die Katholische Soziallehre an das Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit heranzuführen und das Sozialprinzip Nachhaltigkeit zu formulieren.

Geseko von Lüpke ist Journalist für Rundfunk und Printmedien und Autor zahlreicher Bücher. Seine Veröffentlichungen haben einen Schwerpunkt im Bereich der Ökologie und Nachhaltigkeit. Seine Recherchen führten ihn zu Begegnungen mit bedeutenden und charismatischen Menschen in aller Welt, die er in mehreren Interview-Bänden veröffentlichte. Es sind Vertreter einer neuen Wissenschaft, einer ganzheitlichen Ökologie und Kulturkritiker. 

Veranstalter

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Weiterführende Literatur:

  • Joachim Bauer
    Fühlen, was die Welt fühlt
    Die Bedeutung der Empathie für das Überleben von Menschheit und Natur
  • Jeremy Rifkin
    Die empathische Zivilisation
    Wege zu einem globalen Bewusstsein
  • Edith Stein
    Zum Problem der Einfühlung
  • Carlo Collodi
    Pinocchio
  • Michael Jackson
    Between One and One Another
  • Nils Bubandt & Rane Willerslev
    The Dark Side of Empathy
    u.a. YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=gOrigHBoAMU
  • Döring, Sabine (Hrsg.)
    Philosophie der Gefühle
  • Johann Baptist Metz, Lothar Kuld, Adolf Weisbrod
    Compassion
    Weltprogramm des Christentum. Soziale Verantwortung lernen
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